Das Bild von der Autobahn ist hinlänglich bekannt: wir neigen dazu, in unserem Denken und Verhalten auf eingefahrene Muster zurückzugreifen – das geht schnell und einfach. Einmal auf der Autobahn, ist es recht schwierig, wieder abzufahren. Und je öfter wir diesen Weg einschlagen, umso schneller sind wir beim nächsten Mal wieder „auf der Autobahn“, in unserer Spur. Am Ende scheint es gar so, als würden wir gefahren werden, als hätten nicht wir selbst die Entscheidung für diese Strecke getroffen.
Möchte ich aber etwas verändern, so muss ich willentlich dem Sog widerstehen, quasi automatisch auf meine Autobahn zu fahren und in alte Muster zu verfallen. Am besten übe ich vorher das Starten und Fahren „im Trockenen“; in Gedanken-, Fantasie- und Rollenspielen erprobe ich neue Verhaltensweisen, gehe erste neue Wege. Erst wenn ich schon eine kleine Sicherheit damit gewonnen habe, fahre ich konzentriert und zunächst langsam los, denn die neue Spur ist noch unbekannt und muss erst eingefahren werden – so wie ja auch ein Weg erst durch’s Gehen entsteht.
Soweit der oft zitierte Vergleich mit der Autobahn. Was aber, wenn ich gar nicht weiß, dass es andere Wege geben könnte? Wenn ich feststelle, dass das Ankommen zwar das Ende der Autobahn, aber nicht das Ziel meiner Fahrt war? Wenn ich aber gar nicht weiß, welches Ziel es sein könnte, weil ich schon so oft auf der Autobahn war… und ich mir die Frage gar nicht mehr stelle?
Für mich bilden Kunst, Literatur und Film Möglichkeiten, die Welt neben der eigenen Autobahn zu erkunden – ohne, dass es gleich meine eigene werden muss, einfach zunächst einmal, um weitere Wege kennenzulernen und mir diese anzuschauen. Und so erweitere ich mein Spektrum: das Anders-Empfinden in einer mir bekannten oder einer ganz neuen Situation, neue Lösungen für offene Fragen, die Irratation des bisher Gedachten. Dies natürlich nur vorausgesetzt der Film, das Buch, Theaterstück, Kunstwerk … bedient sich nicht einer Autobahn, also simpler Klischees, die meine Wahrnehmung letzten Endes dann sogar noch verengen, quasi Mauern daran entlang errichten.
Das Bild mit der Autobahn gilt nicht nur für unsere Gedanken und unser Verhalten, sondern auch für unser Empfinden. Werden wir immer wieder mit den selben dargestellten Handlungen und Gefühlen konfrontiert, so gehen wir schließlich zu leicht davon aus, dass dies das offenbar richtige Verhalten und Gefühl für die entsprechende Situation ist. Ich horche nicht mehr in mich hinein und erforsche meine eigene Wahrnehmung und meine Gefühle für die Situation nicht mehr, sondern springe in die Spur der Autobahn: das Verhalten, das offensichtlich üblich ist – oder behindere mich daran, die neue Situation mit Offenheit und Wachseimkeit für die eigene Realität zu gestalten. Und am Ende verkleinert, verengt sich meine gesamte Welt: die Welt meiner Wahrnehmung, die Welt meiner Gedanken und Ansichten, die Welt meiner Empfindungen und meiner Handlungen.
So wie uns das, was wir überall sehen, glauben macht, kleine Mädchen wollten einfach Rosa, weil sie ein Mädchen sind. Immer wieder darf ich mich fragen: Ist es wirklich so, dass kalte und nasse Tage schlechtes Wetter sind? Ist es wirklich so, dass ich in der Arbeit gestresst sein muss? Ist es so, dass ich erfolgreich bin, wenn ich einen gewissen Status erreicht habe? Und ist es so, dass es wirklich wichtig ist, Sicherheit anzustreben? Ist es wirklich so, dass die scheinbar beste Lösung wirklich die beste ist? Oder weiß ich es nur einfach im Augenblick nicht anders? Und stimmt, es könnte anfangs anstrengender werden…
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