Als ich Kind war, gab es in unserem Haus eine Glühbirne, die bis zu unserem Auszug nach vielen Jahren, die Unvollkommenheit für mich darstellte. In der Ecke, an der Decke des Wohnzimmers, prangte seit unserem Einzug eine Lampe, die nie einen Lampenschirm bekommen hat. Sie blieb der nackte Leuchtkörper, die Glühbirne.
Nach sehr vielen Jahren lache ich über eine ebensolche nackte Glühbirne im Haus meines Vaters, die ich heute mal wieder bestaune. Es ist ein Haus, das der Traum meines Vaters war. Alles, fast alles am und im Haus ist perfekt. Nur über der Eingangstür prangt sie: die Unvollendete, die Lampe ohne Beschirmung, der pure Leuchtkörper. Vergesslichkeit? Nachlässigkeit? Für mich ist sie zum Symbol geworden für Offenheit und Flexibilität.
Der Zustand von Perfektionismus wäre Abgeschlossenheit. Es geht dann darum, den Zustand des Perfekten zu bewahren. Das führt zum Stillstand. Die Unvollkommenheit öffnet aber quasi den Weg: Baustelle! Hier ist was in Bewegung, hier gibt’s noch was zu tun. Ein offener Blick Richtung Zukunft. Ich liebe diese Glühbirne!
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