Mir geht es nicht um die politische Dimension der Diskussion, ich möchte diese aber stellvertretend für einiges nehmen, was ich bemerke und was mir diese Woche besonders aufgefallen ist. Die Bauern und Bäuerinnen protestieren derzeit gegen die verschärften Vorlagen für die Nutzung von Pestiziden. Auch mit der zugesprochenen Finanzhilfe sind sie nicht zufrieden, sie wollen die neuen Vorgaben nicht befolgen, da sie ihre bisherige Praxis verändert. Natürlich ist mir bewusst, dass ich hier verkürze, es ist natürlich einiges komplexer. Aber ich möchte es dennoch auf eine kleine Spitze treiben.
Seit einigen Jahren, in meiner Wahrnehmung sogar seit vielen Jahren, ist es klar, dass die gängige Praxis der Unkrautvernichtung beim Acker- und Feldbau nicht ewig währen wird, denn sie birgt einige Nachteile und hat Nebenwirkungen. Diese Nebenwirkungen bekommen Mensch, Tier und Umwelt zu spüren, doch die Mittel machen den Bäuerinnen und Bauern das Leben leichter und der Zweck heiligte bisher ja öfter schon die Mittel. Also wird mit Vehemenz gegen das Gebot der Stunde protestiert. Voll Gas voraus mit den Treckern in die Städte. Ziel: die veränderte Agrarpolitik rückgängig machen.
Hm… Natürlich ist es immer schwierig, unter veränderten Bedingungen zu arbeiten, es macht mehr Aufwand, die Übung fehlt, neues Wissen muss erworben, aufgebaut werden, vielleicht sind anfangs sogar Einbußen zu erwarten. Da sind die Landwirte nicht die einzigen, die vor gravierenden Veränderungen stehen, manch eine Branche sieht sich vor Herausforderungen gestellt: der Einzelhandel, die Verlage, die Medienlandschaft im Allgemeinen, die Automobilisten, die Kirche, u.v.m. … Prozesse müssen neu überdacht, die Ziele neu definiert, die Ergebnisse überprüft werden. Und ist das nicht so, dass es für alle, die mit einer solchen Anforderung konfrontiert werden, schwierig ist?
Was mich beunruhigt, ist die Haltung, die ich aus den Berichten über die Proteste wahrnehme, die Stimmen der Interviewten, die ich in den Beiträgen höre. Denn daraus spricht: Lassen wir es beim Alten. Veränderte Bedingungen und notwendige Anpassungen wollen wir partout nicht annehmen, geschweige denn als Notwendigkeit akzeptieren.
Und mit dieser Blockade geht auch noch eine weitere Haltung einher: die mangelnde Bereitschaft, die Konsequenzen zu tragen. Allgemein gesprochen: sein Leben und Wirken selbstverantwortlich in die Hände zu nehmen. An unserem Beispiel mit den Bauern: die anderen sollen es richten, also die Politik… Vater Staat.
In den Unternehmen ist es oft nicht anders: ich ziehe selber keine Konsequenz, es geht mir zwar nicht gut, ich beobachte die Entwicklungen mit Sorge… aber die anderen sollen für mich sorgen… Mutter Firma.
Dieses Verhalten erlebe ich auch immer wieder in der Beratung: dem Unternehmen, dem Bereich geht es seit Jahren schlecht und immer schlechter, der Markt, die Wettbewerbssituation hat sich verändert, vielleicht ist das Unternehmen aufgekauft worden… vielleicht hat sich die Welt verändert und mit ihr die Bedarfe, die Produkte, die Möglichkeiten, die Preise, die Grenzen, die genutzten Medien und vieles mehr hat sich verändert… mein Arbeitsplatz soll aber bitte gleich bleiben.*
Nein, manchmal geht das nicht. … Leider. Leider?
Natürlich ist es wunderbar, dass wir in einem Land leben, in dem der gesellschaftliche Strukturwandel mit Finanzmitteln gefördert wird, in dem Umstrukturierungen in Unternehmen mit Sozialplänen gemildert werden, verschiedenste Schäden, Schicksalsschläge und Nöte von Versicherungen aufgefangen werden. Gar keine Frage. Das ist ein Segen!
Ich sehe aber, dass diese Hilfestellung bisweilen dazu führt, dass die Furcht vor Veränderung, das Abblocken von Entwicklungen damit sogar regelrecht gezüchtet wird: der Staat, meine Firma, die Arbeitsagentur, die Krankenkasse, die Versicherung… möge die Last von mir nehmen.
Was mir fehlt: Eigenverantwortung, Verantwortung für das eigene Leben und Wirken. Und das Ziehen von Konsequenzen. Weil Leben bedeutet, sich den Anforderungen zu stellen, Herausforderungen anzunehmen und mit den Entwicklungen mitzugehen.
Und wir können mit Veränderungen umgehen, weil wir Menschen sind, mit Intelligenz gesegnet sind – und es unser Leben ist, das wir leben, allein unseres!
In einem System, das von Hilfestellungen durchzogen ist, werden das Abgeben von Verantwortung und der Stillstand quasi belohnt. Wer selbst die Konsequenzen zieht (z.B. durch einen Arbeitgeberwechsel), mit seinen eigenen Mitteln in die eigene Zukunft investiert (z.B. seine Weiterbildung selber finanziert), bereit ist, Risiko und Verantwortung selber zu tragen (z.B. durch Aufbau der Selbstständigkeit oder Firmengründung) verzichtet: auf die Abfindung, den alten Kündigungsschutz, … und den schonenden Blick des Umfelds auf die, die Opfer einer sich verändernden Welt geworden sind.
Da muss man doch zum Ergebnis kommen: Bin ich blöd, wenn ich etwas verändere!? Hm… da kann doch etwas nicht stimmen.
* Natürlich gibt es immer auch persönliche Gründe, die gegen eine Veränderung wirken, das möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Und natürlich können diese schwerwiegend sein und die Grundlage für Entscheidungen bilden. Das ist nachvollziehbar und verständlich.
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